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Architekturbücher • Leseprobe

Ein Reihenhaus in einer von Bäumen gesäumten Straße. Vor einigen Stun den noch hallte es von Kindergeschrei und den Stimmen einiger Erwachsener wider, doch seit seine letzte Bewohnerin (mit Schultasche) die Tür hin ter sich zuschlug, genießt das Haus den Vormittag in aller Stille. Über den Giebeln des Gebäudes auf der anderen Straßenseite ist die Sonne aufgegan gen und strömt nun durch die Parterrefenster, streicht die Innenwände buttergelb und wärmt die raue, rote Ziegelsteinfassade. Im Licht ihrer Strahlen tanzen Staubflocken, als gäben sie sich der lautlosen Melodie eines Walzers hin. Und im Flur ist das Gebrumm des einige Straßen entfernt anschwellenden Verkehrs zu hören. Hin und wieder öffnet sich scheppernd der Briefschlitz, um einen grellbunten Reklamezettel einzulassen. Man meint dem Haus anzumerken, wie sehr es die Ruhe genießt. Es ruckt sich nach der Nacht aufs Neue zurecht, räuspert Rohre frei und lässt Scharniere und Gelenke knacken. Dieses würdige, betagte Gebilde mit seinen kupfernen Venen und dem hölzernen, auf einer Tonsohle ruhenden Sockel hat viel erduldet: Bälle prallten gegen die Gartenflanke, Türen wurden wütend zugeknallt, im Flur wurde endlos Kopfstand geprobt, dazu die Last und das Geächz elektrischer Leitungen sowie die tastenden Eingriffe unerfahrener Klempner bis tief ins Innerste. Einer vierköpfigen Familie bietet das Haus Geborgenheit, in seinen Fundamenten zudem noch einer Kolonie Ameisen und im Schornsteinkasten jedes Frühjahr einigen brüten den Rotkehlchen. Außerdem stützt es eine kraftlose (vielleicht auch bloß ein wenig träge) Wicke, die sich an seine Gartenmauer lehnt und duldet, dass sie rastlos von einem Schwarm Bienen umworben wird. Mit den Jahren wurde das Haus zum eingeweihten Mitwisser. Es bot ersten Techtelmechteln Raum, sah bei Hausaufgaben über die Schultern, war dabei, als gerade aus dem Krankenhaus eingetroffene Babys zum ersten Mal gewickelt wurden, und fand sich mitten in der Nacht von geflüsterten Gesprächen in der Küche überrascht. Es hat Winternächte ausgehalten, in denen die Fenster kalt wie tiefgekühlte Erbsenbeutel waren, und Hochsommerabende, in denen sich die Ziegelwände noch warm wie frisch gebackenes Brot anfühlten.
Es bietet nicht nur physische, sondern auch psychische Zuflucht und ist ein Wächter der Identität. Kehren seine Besitzer im Lauf der Jahre nach Zeiten längerer Abwesenheit zurück, erinnern sie sich beim Umschauen daran, wer sie sind. Die Steinfliesen im Erdgeschoss strahlen Gelassenheit und betagte Würde aus, während die Regelmäßigkeit der Küchenschränke ein Vorbild unbeschwerter Ordnung und Disziplin ist. Wie eine Anwandlung guter Laune leuchtet das mit großen Löwenzahnblüten bedruckte Wachstuch auf dem Esstisch und kommt doch erst vor der strengen Betonwand richtig zur Geltung. Kleine Stillleben aus Eiern und Zitronen entlang der Treppe richten die Aufmerksamkeit auf die Komplexität und Schönheit alltäglicher Dinge. Und auf einer Fensterbank hilft ein Einmachglas mit Kornblumen, einer eventuellen Neigung zum Trübsinn zu widerstehen. Im oberen Geschoss bietet ein schmales, leeres Zimmer Platz, erholsamen Gedanken nachzuhängen, und das Dachfenster gibt den Blick auf ruhelose Wolken frei, die rasch über Kräne und Kaminkappen dahinziehen. Auch wenn das Haus für so manches Problem seiner Bewohner keine Lösung anzubieten vermag, lassen seine Zimmer doch ein Glück erahnen, zu dem die Architektur ihren entscheidenden Beitrag geliefert hat.

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